ETF = kostengünstige Komplettlösung?
Als John Bogle 1976 den Vanguard 500 Index erfand, der einfach Kundengelder dafür verwendete, die Aktien der Unternehmen, die sich im S&P 500 befanden, mit deren Gewichtung im Index zu kaufen und damit eine Eins-zu-Eins-Abbildung ermöglichte, wurde er belächelt.
Im Juni 2023 bestanden allein auf dem deutschen Markt etwa 3,85 Millionen ETF-Sparpläne. Das Anlagevolumen der ETF betrug ca. 100 Milliarden Euro. Vanguard ist mittlerweile nach Blackrock der zweitgrößte Vermögensverwalter der Welt.
Da niedrigere Kosten anfallen als bei aktiven Investmentfonds, werden ETF von Verbraucherschutzverbänden, Stiftung Warentest und in den sozialen Medien permanent als Anlagevehikel empfohlen. In manchen Fällen ist bereits automatisch von ETF die Rede, wenn eigentlich Investmentfonds gemeint sind. Man sollte aber etwas nicht allein deswegen kaufen, weil es billig ist. Neben der Performance, die in einem Segment erzielt wird, sollte geprüft werden, mit welchem Chance-Risiko-Profil ein Ergebnis erreicht wurde. Zumindest lohnt ein Blick auf die Kursabschläge in schwachen Marktphasen.
Das Timing bleibt dem Anleger überlassen
Da passive Fonds keine Research-Teams benötigen, vergleichsweise geringe Personalkosten verursachen und eher quantitative, regelbasierte Ansätze verfolgen, sind sie definitiv kostengünstig. Passive Fonds sind meist voll investiert und halten somit keine relevanten Kassenbestände. Dadurch profitieren Anleger stärker von positiven Marktentwicklungen im gewählten Segment. Bei Investitionen in passive Strategien bleibt aber das Timing-Problem, da Anleger selbst verschiedene Strategien kaufen und verkaufen müssen.
Entscheiden sich Anleger ausschließlich für passive Ansätze, entsteht oft keine optimierte Asset Allocation, die auch Parameter wie Volatilität und Risiko berücksichtigt. In Extremsituationen wie dem 24. August 2015, wegen des Crashs in China, konnte in den USA beobachtet werden, dass die ETF-Kurse 20 bis 30 Prozent unter dem Substanzwert lagen. Viele Investoren wollten schnell raus aus den Märkten und ihre Wertpapiere unbedingt, auch unlimitiert, loswerden. Diese Gefahr ist bei etablierten Indizes wie beispielsweise dem S&P 500 und dazugehörigen Produkten mit großen Volumina erhöht. Auch die Deutsche Bundesbank hat in einem Monatsbericht aus dem Jahr 2018 festgestellt, dass ETF stärker an Wert verloren als die hinterlegten Wertpapiere. Allerdings erwähnte die Bundesbank auch, dass man nicht bestätigen konnte, dass der ETF-Markt der Auslöser der Probleme war.
Übergewichtungen verhindern echte Diversifikation
Eine andere Problematik ergibt sich aus der Tatsache, dass bekannte Indizes nach Marktkapitalisierung gewichtet sind. Daraus abgeleitet entstehen Übergewichtungen im ETF. Das wird beim MSCI World sichtbar. Derzeit befinden sich rund 1.600 Titel im Portfolio. Das Ganze verteilt sich auf 14 Währungsräume und 23 Industrieländer. Mittlerweile liegt allerdings ein deutlicher Schwerpunkt bei US-Titeln, die knapp 70 Prozent des Portfolios ausmachen. Darauf folgt Japan mit 6,45 und Kanada mit 3,96 Prozent. Die sieben größten Werte Apple, Microsoft, Amazon, Tesla, Alphabet, NVIDIA und Meta Platforms (ehemals Facebook) machen bereits 14,5 Prozent aus und kommen alle aus den USA. Manche Portfoliostruktur kombiniert dann noch einen Nasdaq- und einen S&P 500-ETF – mehr Überschneidung geht eigentlich nicht. Trotzdem muss man zugeben, dass das in den letzten Jahren auskömmliche Renditen brachte. Eine echte Diversifikation entsteht so allerdings nicht.
Synthetische oder physische Applikation
Voll replizierende oder physische ETF leiten die Anlegergelder exakt in die Aktien, die auch im Index vorhanden sind, und bilden so die Indexentwicklung ab. Die Produkte sind transparent und leicht nachvollziehbar. Da man bei einer Änderung der Indexzusammensetzung oder der Gewichtung einzelner Werte entsprechende Änderungen wirklich durchführen muss, entstehen etwas höhere Kosten. Bei Swap-basierten bzw. synthetischen ETF werden oft andere Aktien gekauft, als im namensgebenden Index vorhanden sind. Die Aktien dienen hier nur als Gegenwert bzw. als Sicherheit. Die eigentliche Index-Entwicklung wird über Tauschgeschäfte vollzogen. Hier besteht das Risiko, dass der Tauschpartner beim Swap-Geschäft insolvent werden kann, wodurch Teile des Fondsvermögens gefährdet sind. Dieses Risiko wird durch rechtliche Vorgaben auf zehn Prozent begrenzt. Außerdem versuchen die Fondsgesellschaften, es durch die Hinterlegung von Sicherheiten zusätzlich zu reduzieren.
Weniger Transparenz bei swapbasierten Produkten
Die Wahrscheinlichkeit, dass Anleger durch den Einsatz von Swaps direkte Nachteile erleiden, ist daher sehr gering. Außerdem sind diese Produkte etwas kostengünstiger und das Fondsmanagement kann in der Regel Veränderungen in der Gewichtung schneller und exakter durchführen. Allerdings leidet die Transparenz, da für die Abbildung eines Index letztlich sehr unterschiedliche Finanzprodukte eingesetzt werden können. Weiterhin kann die komplexere Struktur die Berichtspflichten institutioneller Investoren, wie Stiftungen und Pensionsfonds, tangieren. Für den ETF-Markt könnte der Ausfall eines Swap-Partners bei einem Anbieter allerdings zu einer unangenehmen Kettenreaktion und Vertrauensverlusten führen. Anleger, die auf Transparenz und klare Strukturen setzen, sollten physisch replizierende ETF vorziehen.
Aktive Anleger können passiv investieren
Bei jedem Investment muss man sich Gedanken darüber machen, welche Ziele man verfolgt und ob man gegebenenfalls auch Zeit und Interesse hat, sich selbst intensiver darum zu kümmern. Anleger mit Erfahrung, guter Selbsteinschätzung, Zeit und Disziplin können mit passiven Strategien gute Ergebnisse erzielen. Man sollte aber nicht bei jeder Modeerscheinung mitmachen und irgendwelche Branchen- und Themen-ETF kaufen, sonst hat man schon nach kurzer Zeit keine vernünftige Portfoliostruktur mehr. Berücksichtigt man auch konsequent nachhaltige Aspekte, so sind ETF-Lösungen noch nicht optimal, da immer zu viele Wertpapiere dabei sind, in die man nicht investieren will, obwohl einige Häuser hier nachbessern. Will man sich nicht so intensiv mit dem Thema Geldanlage beschäftigen, sind für die Erreichung langfristiger Ziele aktive, vermögensverwaltende Änsatze, die alle Anlageklassen berücksichtigen können, vorzuziehen. Hier sollte eine Kombination aus mehreren Fonds mit unterschiedlichen Investmentphilosophien vorgezogen werden.