Gefühlte Wahrheiten und die eigene Performance-Realität
Mit gefühlten Wahrheiten ist es so eine Sache. Wir alle haben die sagenhafte Entwicklung der großen und vorrangig amerikanischen Technologieunternehmen vor Augen, die gegenüber Konjunktureinbruch, Aktien-Crash und Lockdown scheinbar unverwundbar sind.
Die Entwicklung der Technologiebörse Nasdaq (+20,1 % seit Jahresanfang in EUR, per 23.09.) und die der Einzelwerte wie Apple (+41,3 %), Netflix (+39,9 %) oder Salesforce.com (+39,5 %) spricht Bände. Wir neigen dazu, diese Ergebnisse auf den gesamten Aktienmarkt zu übertragen und schließen daraus, dass das bisherige Börsenjahr trotz des abrupten und Corona-bedingt heftigen Markteinbruchs im Frühjahr ein gutes Aktienjahr ist.
Gute Aktienmärkte?
Doch weit gefehlt, wie ein Blick auf die weltweiten Aktienindizes zeigt. Die breite Masse der Aktienmärkte hat den Aufschwung an den Börsen seit dem Tief im März noch gar nicht mitgemacht. Global gesehen sind von den großen und wichtigen Indizes lediglich zwei im Plus: Die bereits erwähnte Nasdaq (+20,1 %) und der chinesische CSI 300 (+14,1 %). Die Aktienmärkte aus Deutschland, Italien, Frankreich, Brasilien, Indien, Mexiko oder aber auch der Dow Jones verzeichnen seit Beginn des Jahres ein Minus. Am Beispiel des amerikanischen Leitindex zeigt sich ein weiteres Phänomen: Innerhalb des Index sind es nur wenige und in erster Linie die Technologieaktien der Nasdaq wie Apple oder Microsoft, die die Wertentwicklung maßgeblich positiv beeinflussen. Das schmerzt – vor allem, wenn die eigene Allokation in die gut gelaufenen Wachstums- und Technologieunternehmen zu gering ausfiel. Die gute Nachricht lautet aber: Es gibt noch genügend Chancen, um von der massiven Liquiditätsausweitung der Notenbanken und den daraus wahrscheinlichen Kurssteigerungen bei Aktien bzw. Aktienfonds zu profitieren.
Chancen, um von der Politik der Notenbanken zu profitieren
Und das können Anleger sogar, ohne allzu hohe Risiken einzugehen. Denn bei vielen der noch kaum gestiegenen Aktien handelt es sich um qualitativ hochwertige Unternehmen, die in relativ konjunkturunabhängigen Sektoren beheimatet sind, ihre Umsätze weltweit erzielen und über eine Historie von vielen Jahrzehnten verfügen. Beispiele hierfür sind Coca-Cola (-10,7 % seit Jahresanfang), Allianz (-20,9 %) oder der größte Bierbrauer der Welt, Anheuser-Busch (-36,5 %). Bisher beschränkte sich die Markterholung im Wesentlichen auf wachstumsstarke Technologie- und Konsumunternehmen, die mittlerweile mindestens ambitioniert bewertet sind. Sollte in den nächsten Monaten ein Impfstoff gegen Corona gefunden werden, die weltweite Wirtschaft dank der massiven staatlichen Konjunkturprogramme und der Geldmengenausweitung der Notenbanken wieder belebt werden können und sich der Risikoappetit der Investoren nicht nur auf ein kleines Marktsegment beschränken, bieten viele der ausgebombten Value- und substanzstarken Aktien erhebliches Potenzial.
Nicht den Börsen nachtrauern
Es besteht also keine Notwendigkeit, den Kopf in den Sand zu stecken und der vermeintlich guten Aktienentwicklung im bisherigen Jahresverlauf nachzutrauern. Diese beschränkt sich nämlich nur auf einen relativ kleinen Teil des Marktes. Viele Privatanleger haben vor dem Abschwung im September hier noch mal kräftig zugegriffen. In den letzten Wochen mussten sie jedoch feststellen, dass auch die Aktienlieblinge der letzten Jahre vor stärkeren Abverkäufen nicht gefeit sind und sich eine einseitige Positionierung rächen kann. Diversifikation über verschiedene Sektoren und Investmentstile mindert zwar zwischenzeitlich die Rendite, sorgt aber langfristig für stabilere Ergebnisse.
Die Aktienmärkte bieten noch viele antizyklische Chancen, in bisher vernachlässigte und teilweise erstklassige Unternehmen zu investieren. Lassen Sie sich von der allgemeinen und oft oberflächlichen Berichterstattung über haussierende Börsen nicht täuschen. Halten Sie lieber Ausschau nach chancenreichen Investments für die nächsten Jahre.